Kreativ ist ... die Wäsche heute ungebügelt.

Ich habe gemerkt, dass meine Vorstellungen über "kreativ" mich ganz schön hindern können. All die kreativen Äußerungen von anderen - die mir gefallen, die mich begeistern - lassen sich in mir als Bilder nieder: "Das ist kreativ!". Leider vergesse ich dabei immer wieder, dass das nicht stimmt. Was kreativ ist nach Art von Monsieur Mac oder Goldberg oder Lene braucht für mich nicht zu gelten.
Was ist kreativ à la Nathalie?

Illustration: Ich sitze auf dem Boden und schaue mir Zeichnungen und Kritzeleien an. Text darüber: "anfassen, sehen, im Kopf bewegen".

Was ich auch vergesse, obwohl ich es sehr wohl weiß, ist: Kreativ ist das Wort für den Prozess. Es sagt nichts über den Output. Es verrät mir nicht, ob ich am Ende meiner Arbeit ein Buch in Händen halten werde oder einen Rap. Noch weniger verrät es mir welches Genre das Buch (wenn es dann ein Buch wird) haben wird oder ob das Buch für 6jährige Kinder, 12jährige Mangafans oder 48jährige Autorinnen aus Ostholstein gedacht ist.
Das ist ja eigentlich auch klar – wenn ich am Anfang schon wüsste, was hinten raus kommt, dann wäre da nicht mehr viel Raum für jenen berühmten kreativen Prozess, der aus Spaß, Abenteuer, flow und Verzweiflung besteht und nach dem (weil er so unheimlich glücksbringend ist) viele von uns sich verlangen.
Tun wir das? Das frage ich mich. Die Anzahl der Blogs, Pins, Bücher und Tweets zum Thema Kreativität lässt vermuten, dass ganz viele Menschen auf der Suche nach einem kreativen Leben sind. Aber ist das so – oder wollen sie nur Kreative sein. Verlangen sie nach jenem Zustand, den man nach Jahren kreativer Arbeit dadurch erreicht, dass man eine Menge kreativer Arbeit geleistet hat. Bei der das eine oder andere Produkt herausgekommen ist. Danach zu verlangen, eine berühmte Autorin oder gefeierte Illustratorin zu sein ist zwar menschlich, hat aber nichts mit kreativer Arbeit zu tun.

Kreativ sein, bedeutet den eigenen Fragen zu folgen, sich konsequent mit eigenen Bildern und Themen auseinanderzusetzen um so zu einer eigenen Ausdrucksform zu kommen. Dem Prozess vertrauen - der (ich wiederhole:) aus Spaß, Abenteuer, flow und Verzweiflung besteht.

Und auf sich selbst zu warten. Denn das Einzige, was für Kreativität absolut unverzichtbar ist, ist Zeit. Wenn du dir und deinen Themen keine Zeit schenkst, kannst du sie nicht ausdrücken, und wird das, was du machst, vielleicht kreativ aussehen, aber nicht wirklich lebendig sein.
Nimm dir Zeit. Lass die Wäsche heute ungebügelt, den Boden ungefegt, den Staub unbehelligt, das Smartphone unbenutzt und hör dir zu. Denn wenn du dir selbst lange genug zuhörst, wirst du eines Tages ganz von selbst von dir hören lassen. Darauf freue ich mich schon.

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Ode 3: An die Kreative Arbeit. Oder: Adieu Regeln.

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Ode 4: An den kreativen Kuhfladen - Wie Kinder malen